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Ethische Grundsätze sind für viele Menschen an religiöse Überzeugungen und Glaubenssätze gebunden. In einer zunehmend säkularisierten Gesellschaft stellt sich die Frage, ob das ethisch Gebotene und Gerechte unabhängig von Glaubenssätzen überhaupt Geltung besitzt.

Der griechische Philosoph Platon 428/427 - 348/347 v. Chr. hat seine Philosophie in Dialogform verfasst. Es sind fiktive Gespräche, die meisten Gedanken sind auf seinen Lehrer Sokrates zurückzuführen, der selbst keine Schriften hinterließ.

In dem Dialog Euthyphron wird das Thema Ethik/ Religion diskutiert, zugespitzt in der Fragestellung: „Erwäge indessen folgendes: Wird das Gute, weil es gut ist, von den Göttern geliebt, oder ist es gut, weil es von ihnen geliebt wird?“

Ist etwas ethisch geboten, weil es die Religion vorschreibt, oder schreibt es die Religion vor, weil es von sich aus richtig ist?

Platon gibt dem religionsunabhängigen Richtigen den Vorrang. Dennoch bleibt das Spannungsverhältnis bestehen. Und es bleibt die entscheidende Frage nach der Instanz, die das Gute und Richtige bestimmt.

In autoritären Gesellschaften sind es die Machthaber, die vorschreiben was erlaubt ist und was nicht. In demokratischen Gesellschaften sind es hingegen die in langen historischen Prozessen gemeinsam entwickelten Handlungsnormen. Das macht es nebenbei bemerkt auch so schwierig, mal zügig einer Gesellschaft Demokratie „beizubringen“, denn es sind in der Regel zeitintensive Transformationsprozesse.

Um die Vorteile einer übernatürlichen Instanz zu erkennen, muss man nicht Angehöriger einer Religion sein: Die übernatürliche Instanz befreit nämlich von menschlich, allzu-menschlichen Bürden und Mühen, eine elegante Möglichkeit, sich Lebensverantwortung zu entziehen.

Sehr beliebt ist der Verweis auf das eigene, individuelle Gewissen, um dem Dilemma zu entfliehen. Dies kann dann unmittelbar zu liberalem Gedankengut führen. Stets bequem und mühelos gelingt eine Selbstbezeichnung und Selbstinszenierung als Liberaler in einer demokratischen Gesellschaft. Ursprünglich liberal sein heißt aber, frei in alle Richtungen zu denken, ja, auch frei zu handeln, doch nicht gegen die Freiheit anderer zu agieren.

Den Freiheitsbegriff lediglich für individuelle Interessen zu nutzen, gemeinschaftliche Interessen dagegen zu übersehen, kein „rechts und links“ im Alltag wahrzunehmen, ist keine Freiheitsausübung – es ist Machtausübung, basierend auf Einfluss, Manipulation und Geld. Und führt meist nicht zu himmelweiten freien unbeschwerten Seelenzuständen, sondern eher zu abgrundtiefen Emotionen voller Einsamkeit und Trübsinn.

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